Die erschreckende Statistik in ein neues Leben

16 Tage Tagesklinik - 31 Tage Phychiatrie davon 7 Tage geschlossene Phychiatrie - 632 Tage Tabletten

Depressionen
Eine sehr ernst zu nehmende Krankheit, die aber leider viel zu sehr von der Gesellschaft verspottet wird. Sagt man jemandem, man leidet unter Depressionen, bekommt man nicht selten zu hören "Ach qutsch, stell dich nicht so an". Wenige, die diese Krankheit nicht haben oder hatten wissen überhaupt, wie schwer es für einen depressiv Kranken ist, seinen Alltag halbwegs über die Runden zu bekommen. Überhaupt die Lust aufzubringen morgens aus dem Bett aufzustehen, obwohl man genau weiß, dass der kommende Tag doch eh ist wie alle andern zuvor; nutzlos und alle enden sie abends im Bett, alleine, mit der Frage, wieso bin ich heute morgen überhaupt aufgestanden? Man tut es einfach, der Gesellschaft zu liebe, um keine blöden Sprüche auf sich nehmen zu müssen, Dinge wie, dass man ein fauler Hund ist. Depression ist also eine Krankheit, die sich sehr im Verborgenen einer Person abspielt.

Am Anfang wurde mir nicht wirklich klar, dass ich sie hatte, denn es kam und ging; Tage oder gar Wochen blieb es; aber danach war wieder nichts mehr davon zu spüren. Ich hielt es für normale Stimmungsschwankungen. Aber nachdem ich zum wiederholten Mal wochenlang nichts mehr auf die Reihe bekam, forschte ich nach. Nachdem ich die Symptome durchging, wusste ich es. Ich hatte Depressionen. Das war Ende 2008. Ich wusste sehr lange nicht, wie ich damit umgehen soll, hatte keine Ahnung, wie ich davon wieder weg kommen sollte, denn mir selbst fehlte die Kraft und Zeit aus eigenem Willen diese Krankheit therapieren zu lassen.

Aber was machten diese Depressionen mit mir? Ich quälte mich morgens schon aus dem Bett, das letzte, was ich vor dem Aufstehen dachte war, es hilft ja alles nix. Dann versuchte ich zumindest äußerlich normal zu wirken, denn wer will sich schon bereits am frühen Morgen mit den dummen Sprüchen seiner Mitmenschen rumschlagen müssen. Innerlich war ich total fertig, abwesend und freute mich, wenn man das überhaupt so nennen konnte, auf die Tätigkeiten, die mich selbst während dieser Phasen ablenkten und mir Spaß machten. Leider waren diese Zeiten viel zu kurz. Was waren schon die Tage Kunst- & Einradtraining oder ein Mittwochabend; Training & Hockey, danach Gasthaus und später total platt ins Bett legen. Was waren diese Abende denn gegenüber der grausamen Länge des Restes der Woche. Einsame, sehr lange Zeiten, allein gelassen und auf sich selbst gestellt. Wie soll eine depressive Person, die kein Selbstwertgefühl und total antriebslos ist, nur diese Dauer überstehen? Ich wusste es nicht… aber ich schaffte es doch Woche für Woche in der Hoffnung, dass sich vielleicht doch etwas bessert, woran ich aber selbst gar nicht wirklich glaubte. Hunger hatte ich nie wirklich; ich aß halt, wann mir es passte oder wenn es was zu essen gab… dann machte ich es einfach um nicht unangenehm aufzufallen.

Das Schlimmste an der Krankheit Depression ist, dass sie mit einem macht, was sie will und wann sie will. Die komplette Stimmungslage kann von einen auf den anderen Moment so stark kippen und man selbst weiß überhaupt nicht, wieso oder wie man das andern jetzt erklären soll. Genauso schlimm, wenn nicht sogar schlimmer ist es, dass Depressionen über ungewisse Zeiträume sehr milde werden können oder gar ganz verschwinden. Man meint, man hat diese Krankheit endlich überstanden, bis sie meist nach nur kurzer Zeit wieder an die eigene Seele klopft.
Depressionen sind auch sehr Tätigkeitsabhängig. Bei mir war es so,dass wenn ich alleine daheim war, geschahen 80% meiner depressiven Phasen. War ich unter Leuten, passierte dies deutlich seltener. In der Zeit, wo ich unter der Woche täglich auf die Arbeit fuhr und abends und am Wochenende auch viel um mich rum hatte, sodass ich gar nicht dazu kam, mir viele Gedanken über mich, mein Leben oder meine Seele zu machen, waren meine Depressionen nur noch klein, fast unauffällig. Aber ich stellte mir doch immer die Frage, was wäre, wenn sie wieder so stark kommen, so dass ich mir Sorgen machen müsste, dass ich wieder etwas von meiner Welt und meinem Leben zerstöre, wie müsste ich dann mit dieser Krankheit umgehen.

So bezeichnete ich mich für ca. 1-1,5 Jahre als selbst therapiert.

Aber Ende 2011 bin ich leider wieder depressiv geworden. Die Krankheit kam so langsam, dass ich noch nicht mal genau weiß, seit wann es wieder da war... es muss im Dezember 2011 gewesen sein, denn seitdem kann ich mich wieder an die Symptome erinnern. Meine Stimmung schwankte wieder wie sie wollte und ich war nur noch leer. Ich litt an Essstörungen, hatte Tage an denen ich wenns hoch kommt 500 Kalorien zu mir genommen habe. Dementsprechend litt auch mein Kreislauf darunter. Wirklich Freude empfand ich auch nicht mehr. Es ging alles trastisch bergab. Abends konnte ich nicht Einschlafen, Nachts war ich 5-6 Mal im Durchschnitt wach und Morgends kam ich nur schwerlich raus. Ich brauchte mehrere Stunden bis ich aufstehen konnte und wenn ich liegen blieb, dann schlief ich 15 Stunden insgesamt; sprich ich stand erst gegen 15-16 Uhr auf.

So durfte es nicht weitergehen und dank meiner damaligen Freundin konnte ich mich zusammen mit ihr durchringen, die Depressionen zu bekämpfen. Alleine hätte ich das nicht geschafft... Ich hatte keinen Willen mich selbst dazu zu Überreden bzw. hatte nie die Kraft selbst den ersten Schritt zu machen...
Daher gingen wir im Februar 2012 zum Hausarzt, dem ich dann davon erzählte. Die Behandlung von Depressionen nimmt meist zwischen sechs und neun Monaten in Anspruch.
Dieser verschrieb mir meine ersten Antidepressiva; Venlafaxin, die ich 4 Wochen lange nahm. Durch etwas Glück fand ich auch sehr schnell einen Psychologenplatz... der Hausarzt meinte, diese Suche dauert sonst bis zu einem Dreivierteljahr. Armes Deutschland, wie soll man denn als richtig depressiver Mensch ohne Psychater auskommen? Muss man sich erst etwas schwerwiegendes antun, damit man gleich in die Geschlossene eingewießen wird, weil man eine Bedrohung für sich selbst ist???
Ich hatte also Glück, dass sich diese Suche durch Kontakte einfach gestalteten.

Am 06.03.2012 hatte ich dort also meinen ersten Termin. Diese Phychologin war ab dann für meine Medikamentendosis zuständig. Bis dahin hatte ich diese Tabletten... Venlafaxin... es hat bei mir leider nicht geholfen, das einzige das gewirkt hat, waren die Nebenwirkungen... Übelkeit, Schwindel, Schwummerig, starke Kopfschmerzen, Müdigkeit, Gähnen...
Meine Psychaterin meinte das Medikament sei ganz gut, aber bekannt für die hohen Nebenwirkungen und ich sollte ab dem nächsten Tag bereits ein anderes Antidepressiva nehmen. Cymbalta, selbe Kategorie, ähnliche Wirkstoffe, seltener Nebenwirkungen.
Cymbalta nahm ich in der ersten Woche 60mg und ab der zweiten Woche 4 Wochen lange 120mg.
Seit dem 06.03.2012 nahm ich auch Abends/Nachts Trimipramin. Ein Antidepressiva, das auch dabei hilft um durchzuschlafen. Das tat es auch, seither war ich kaum noch wach nachts. Am 03.04.2012 mussten wir dann wieder das Medikament wechseln und auf eine andere Kategorie der Antidepressiva umsteigen. Seither nahm ich Cipralex, welches ich auch bis zum Ende beibehielt.

Ungefähr zu dieser Zeit musste ich auch mein Studium wegen der Depressionen abbrechen. Die Situation machte es für mich nicht mehr machbar, mich auf mein Studium zu konzentrieen. Ebenfalls musste ich auch meine Arbeitsstelle verlassen, welche als Praktikum mit dem Studium verbunden war. Nicht selten geschah es in der Zeit danach, dass ich dieser Arbeitsstelle nachweinte.Es war die größte und zugleich schönste Abwechslung, die ich hatte und mir wünschen konnte.

Das schönste Geburtstagsgeschenk, das ich 2012 bekommen konnte und habe, war 2 Tage vor meinem Geburtstag. Ich war mit 2 Freunden waren in Wetzlar beim Hessentag auf dem Silbermond-Konzert. Eine Band mit der ich sehr viel verbinde und die mich seit einigen Jahren durch all meine Lebenslagen begleiten. Trotz der Tatsache, dass ich nicht nur positive Momente mit manchen Silbermondliedern verbinde, waren diese wie weggeblasen. Ich hatte mich vollkommen glücklich gefühlt und das Ganze hielt auch für einige Tage an.

Am 02.07.2012 bekam ich einen Platz in der Tagesklinik in Hofheim. Tagesklinik läuft auf dem Prinzip, dass man morgens sich in den Räumlichkeiten trifft, zusammen frühstückt, dann an den Tagesaktivitäten teilnimmt und abends wieder heimgeht. Dies fand auch nur unter der Woche statt, man sollte lernen an den Wochenenden alleine klarzukommen.
Es war eine sehr schöne und angenehme Zeit. Ich konnte mich richtig öffnen, komplett für mich da sein und aufblühen. Ich habe viele neue Leute kennengelernt und auch mich selbst neu kennengelernt. Zeit mit mir selbst zu verbringen und alles um mich herum zu vergessen. Ich entspannte in der Natur, mir taten Sachen gut, die ich früher als Zeitverschwendung und dämlich bezeichnet hatte. Ich entspannte mich total und lernte kennen wie man innerhalb kurzer Zeit sehr tiefenentspannt werden kann. Die Leute, die ich kennenlernte, waren alle so unterschiedlich und doch am selben Ort. Wir konnten uns gegenseitig helfen, durch unsere eigenen Erfahrung sowohl mit den verschiedenen Arten und Symphtomen der Krankheiten klarzukommen und auch wie man sich selbst etwas mehr versteht und helfen kann. Die verschiedenen Aktivitäten halfen sowohl den Alltag später als auch den aktuellen zu verbessern. Ich schaffte es in dieser Zeit meine Einschlafstörungen los zu werden und damit kurz später meine Abendstabletten erst einzuschränken und dann komplett abzusetzen.
Die Menschen, die ich dort kennenlernte waren total nett. Viele traf ich nach der Tagesklinik auch noch. Dies alles zeigte mir, dass selbst die schlimmsten Zeiten einen Weg bergauf haben. Dieser Meinung war ich nicht immer.

Während der Tagesklinik hatte ich mich nach knapp 2 Jahren von meiner damaligen Freundin getrennt. Wir hatten uns schon über längere Zeit auseinander gelebt, was vor allem an meiner gesundheitlichen Situation lag.Bereits Monate vorher musste ich ihr ins Gesicht sagen, dass ich sie nicht mehr lieben kann, weil ich garnichts mehr wirklich fühlen konnte. Da es uns beiden schon seit längerem klar war das darauf eine Trennung folgt, war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis es offiziell wurde.

Ab dem 01.08.2012 arbeitete ich bei einer Werbeagentur in Frankfurt als Azubi Fachinformatiker für Systemintegration. Dort merkte, dass ich bewusst etwas gutes zur Firma beitragen kann und dass es mir täglich Spaß machte auf die Arbeit zu gehen, die vielen netten Menschen zu sehen und vor Herausforderungen gestellt zu werden. Ich lernte zu koordinieren, eigenständig Problemlösungen zu finden und mit aufkommendem und teilweise starkem Stress klar zu kommen.

September 2012 zog ich dann endgültig bei meiner Ex-Freundin aus und wieder nach Hause. Dort schaffte ich es leider nicht richtig, wieder Anschluss an meine Freunde zu finden. Verkroch mich lieber abends wieder zuhause. Es wurde wieder schlimmer mit mir. Auch eine später sechs Wochen haltende Beziehung mit einer damaligen Arbeitskollegin half nicht. Ich war nur noch ein Wrack meiner selbst.

Sonntag, der 18.11.2012 :
Es war unvermeidlich und an diesem Tag sollte es soweit sein. In der Nacht vorher hatte ich mir ausgemalt, in welcher Reihenfolge ich meine über 100 Tabletten unterschiedlicher Antidepressiva und Schlaftabletten in meinem Zimmer nehmen soll. Mich konnte nur eine Panikattake mit Heulkrampf und Zuckungen davon abhalten aufzustehen. Danach schief ich ein, denn es war auch mittlerweile zwischen 3 & 4 Uhr. Am nächsten Morgen, besagtem 18. hatte ich erneut eine Panikattake. Als ich aufstand, sagte ich meinem Vater, dass er mich nach Gießen in die Vitos-Klinik, eine Phychiatrie fahren soll.
Dort war ich nun in einer offenen Phychiatrie untergebracht. Dies bedeutet, dass ich mich auf dem Gelände frei bewegen konnte und auch mit Abmelden 200m weiter in einem Supermarkt einkaufen durfte. In der offenen war ich die folgenden drei Wochen untergebracht, mit positiven und auch negativen Momenten. Wie auch schon in der Tagesklinik gab es hier verschiedene Tätigkeiten und Tagespunkte, die zu besuchen waren (Sport, Malen und verschiedene Therapiesitzungen...). In Gesprächen mit der Stationspsychologin fand ich heraus, dass die wahrscheinliche Ursache für meine Depressionen sich in meinem Geburtsfehler wiederfinden. Mehrfaches Trennen von den Eltern, Einsamkeit und körperlicher Schmerz im frühkindlichen Alter (< 1 Jahr alt). Hierzu habe ich einiges unter Biographie geschrieben.

Auf Grund einiger Vorkommnisse, wurde ich danach in eine geschlossene Phychiatrie auf diesem Gelände überwiesen. Wegen Platzmangels in der Abteilung für Psychose-Kranke. Dort war ich eine Woche/7 Tage. Und diese Zeit legte bei mir ein Schalter um. Der Schalter muss die Aufschrift "Lebenssinn" oder "Lebenswille" heißen. Denn ich und alles was mich zu einem Wrack machte, wurde in dieser Woche ausgelöscht. Ich hatte diese Woche kein festes Programm, verbrachte die Zeit mit Musik hören, Videos übers Handy schauen, lesen, rauchen und mich mit ein bisschen mit den Mitpatienten beschäftigen. Aber vorallem mit mir selbst beschäftigen und ich glaube das war bei mir mit der entscheidende Punkt für das Umlegen dieses Schalters. Ebenso wahrscheinlich auch die Tatsache der Unterbringung in der Psychose-Abteilung. Als Mensch der depressiv ist, nimmt man alles um sich herum noch relativ klar und deutlich war und begreift Zusammenhänge. Leider ist dies bei Psychose-Partienten nicht so. Eine meiner damaligen Mitpartienten hakte jeden Tag ab, damit sie überhaupt wusste, wieviel Zeit verging und fragte taglich mehrfach, ob sie denn hier in der Hopla sei. Ich unterhielt mich mit einer Mitpatientin, die nach neun Monaten entlassen wurde. Sie glaubte, vom Teufel besessen zu sein. Ein weiterer war fest der Überzeugung vergiftet worden zu sein und dass dieses Gift in ihm heranwächst. Ich bin in keinster Weise stolz darauf und wünsche diese Erfahrungen, die ich in der Woche gemacht habe, nicht einmal meinem schlimmsten Todfeind, wenn ich einen hätte.

Am 19.12.2012 wurde ich entlassen. Meine Tablette nahm ich noch bis 31.10.2013. Bis dato hatte ich keine, nicht ein mal den Funken von depressiven Gedanken oder Taten und ich wollte endlich wissen, ob ich das wirklich jetzt bin oder ob mich nur die Tabletten hochhalten. Viele Tabletten hatte ich nehmen müssen, doch eine bleibt mir immer in Erinnerung. Tavor. Tavor macht gefühlstot, ich bekam Tavor in den ersten drei Tagen der Psychiatrie und wenn ich dann gefragt wurde, wie ich mich denn fühle, fand ich keine Antwort, denn ich empfand nichts mehr. Ich bekam damals 0,5mg. Der Mitpartient mit dem ich während dem Aufenthalt in der geschlossenen das Zimmer teilte, bekam 2,5mg. Er wurde kurz vor mir eingeliefert und konnte nach der Woche, die ich dort verbrachte, nicht mal mehr selbstständig Essen. Es ist wahnsinnig wie ruhig man Menschen mit Tabletten ruhig stellen kann. Die Einnahme von Tavor macht nach ca. 2 Wochen süchtig.

Seit dem 31.10.2013 bin ich also clean und seither auch frei von Depressionen. Natürlich gab es schon Momente in denen ich trauig war, wie Trennungen oder der Tod meines einen Opas, aber das waren dann nur "Momentaufnahmen" und nichts, was sich wie in den depressiven Phasen, länger hielt.

Im Frühjahr 2014 bin ich von einer guten Freundin gefragt worden, was eigentlich die Depressionen machen, ich sagte scherzhaft : "Oh Mist, die warten wohl immernoch an einer ganz weit entfernten Raststätte auf mich, finden den Weg hier her nicht oder haben sich jemand anderen gesucht."

Am 12.06.2014 beendete ich meine Ausbildung zum Fachinformatiker für Systemintegration. Während meiner Depressionen und natürlich auch danach, stand mein damaliger Arbeitgeber komplett hinter mir.

There is nothing to be continued